Aktualisierung der ZEITSTROM-Ausstellung auf Franklin eröffnet
Geschichte erlebbar machen, Vergangenes sichern, Zukunft entwickeln – das ist das Motto von ZEITSTROM, einem aktiven Geschichtsprojekt, entstanden aus Bürgerideen zur Konversion auf dem Gelände des Benjamin Franklin Villages.
Die in diesem Rahmen im Juli 2016 realisierte Konzeptausstellung ZEITSTROM wurde nun aktualisiert und erweitert und steht unter dem thematischen Fokus „Everyday life“, also dem Alltagsleben der Amerikaner in der ehemals größten Wohnsiedlung der US-Streitkräfte im Bundesgebiet. Bürgermeister Michael Grötsch eröffnete gemeinsam mit den am Projekt Beteiligten die ZEITSTROM-Ausstellung „Benjamin Franklin Village – Deutsch-Amerikanischer Alltag in Mannheim-Käfertal“.
„Interessant ist, dass nicht alle Amerikaner unsere Stadt verlassen haben. Viele sind Mannheim treu geblieben, haben hier Familien gegründet und sind zu einem Teil unserer Stadt geworden. Ich bin froh, dass Mannheim seine amerikanischen Wurzeln durch den Abzug der Soldaten nicht ganz verloren hat. Diese enge Bindung sollten wir gerade in der heutigen Zeit nicht vergessen“, betonte Kulturbürgermeister Michael Grötsch bei der Eröffnung.
Die erweiterte Ausstellung bewegt sich weg von einer Konzeptdarstellung hin zu einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Alltagsleben im Benjamin Franklin Village. „Sie erzählt Geschichten des Areals von der Beschlagnahmung 1945 bis zum Abzug und rückt verschiedene Höhepunkte in den Fokus“, erklärt Nora Kaiser vom Büro beier+wellach projekte, das ZEITSTROM mit der Stadt Mannheim und der Projektentwicklungsgesellschaft MWSP entwickelte. Dazu gehören Veranstaltungen wie der Pfennigbasar und das Albert-Schweitzer-Turnier, die beide noch bis heute regelmäßig stattfinden, oder die Geschichte des legendären „Top Hat Clubs“, der beispielhaft für den pop-kulturellen Einfluss auf die Mannheimer Musiktradition ist. Über 60 Jahre bis zum Abzug der US-Armee im Jahr 2011 ist Franklin Zentrum des amerikanischen Alltags und der deutsch-amerikanischen Nachbarschaft.
Zusätzlich erzählen fast 30 Zeitzeugen, die ZEITSTROM mithilfe eines Studentenprojekts befragen durfte, das gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Zeitgeschichte von Prof. Dr. Philipp Gassert an der Universität Mannheim durchgeführt wurde, von ihren Eindrücken im Benjamin Franklin Village. An einer Medienstation erfahren Besucher, mit welcher Emotionalität ehemalige Bewohner an ihrem Village immer noch hängen. Sie erzählen von schönen, aber auch von konfliktreichen Zeiten. Das nun schon auf über 30 Stunden Rohmaterial angewachsene Zeitzeugenvideoarchiv hat ZEITSTROM-Projektleiterin Kirsten Batzler bei der Ausstellungseröffnung an Prof. Dr. Ulrich Nieß, Leiter des MARCHIVUM, zur Bewahrung, Forschung und Lehre übergeben. Auch Bürgermeister Grötsch betonte, dass auf diese Weise ein wichtiger Aspekt der Mannheimer Stadtgeschichte lebendig und für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt. „Denn nur wer seine Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten.“
Daneben erarbeiteten Schüler der Friedrich-List-Schule mit Geschichtslehrer Bernd Oßwald einen Teil der Ausstellung. Sie haben sich der „Amimess“, also dem deutsch-amerikanischen Volksfest gewidmet. „Wir haben versucht, den Geist der Amimess herauszuarbeiten und zu zeigen, dass sie vielmehr war als ein Volksfest, denn dort begegneten sich Kulturen, Menschen lernten sich kennen, schlossen Freundschaften“, erklärt Oßwald.
Prof. Dr. Wilfried Rosendahl, Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen, ging auf die Zukunft von ZEITSTROM ein und bezeichnete das Projekt als einen Fluss durch die Zeit. Dabei betonte er, dass es wichtig sei, auch in Zukunft das Potenzial des Projekts darstellen und daran weiterarbeiten zu können.
Das ZEITSTROM-Haus ist geöffnet von Montag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr und samstags von 13 bis 16 Uhr.
Hintergrund zum Projekt ZEITSTROM:
Die Projektentwicklungsgesellschaft MWSP und die Geschäftsstelle Kulturelle Stadtentwicklung der Stadt Mannheim haben mit mehreren Partnern, wie beispielsweise den Reiss-Engelhorn-Museen oder dem Deutsch-Amerikanischen Frauenarbeitskreis, das Projekt ZEITSTROM ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um Mitmachaktionen und Ausstellungen, die Geschichte, Politik, Kunst und Kommunikation über die Konversion miteinander verbinden. Der Einfluss der Amerikaner auf den Flächen insgesamt und auf die Stadtgesellschaft sowie die frühe Vorgeschichte der Kasernenflächen sollen dargestellt, diskutiert und erlebbar gemacht werden.
In der ehemaligen Vorschule auf Franklin ist auf 300 Quadratmetern in Zusammenarbeit mit dem Büro beier+wellach projekte das ZEITSTROM-Haus mit Ausstellungs- und Workshopflächen und einem Besucherzentrum entstanden.
Das Erzählen der deutsch-amerikanischen Geschichte ist nicht der einzige Auftrag des Projektes. ZEITSTROM kümmert sich um die gesamte Geschichte der Region, von der Ausprägung der Landschaft in der Eiszeit über die ersten Menschen in der Region bis zur Zeitgeschichte. Mit der Ausstellung wird daher nur ein Teilbereich eröffnet. In den nächsten Jahren möchte ZEITSTROM sukzessive einen Bildungs- und Erlebnisweg rund um Mannheim erarbeiten, auf dem Besucher, Touristen und Bürger erleben können, wie die Bewohner der Region zu dem geworden sind, was sie heute sind. Der ZEITSTROM-Weg soll beim Spaziergang oder bei der sonntäglichen Fahrradtour auch Spaß an der Geschichte vermitteln, mithilfe neuer Medien, aber auch mit Elementen zum Ausprobieren, beispielsweise mit dem ältesten Schießbogen Deutschlands. ZEITSTROM ist Geschichte und Identität zum Anfassen.